Verdienstvolles Engagement für die Selbsthilfe: Gerlinde Bendzuck

Verdienstvolles Engagement für die Selbsthilfe: Gerlinde Bendzuck wurde nach zehn Jahren als Vorstandsvorsitzende der LV Selbsthilfe verabschiedet auf der Mitgliederversammlung 2024.

Verdienstvolles Engagement für die Selbsthilfe: Gerlinde Bendzuck
wurde nach zehn Jahren als Vorstandsvorsitzende der LV Selbsthilfe verabschiedet

Auf der Mitgliederversammlung am 26.9.24 verabschiedeten der Verein und seine Mitglieder nach zehn Jahren engagierter Arbeit als Vorstandsvorsitzende Gerlinde Bendzuck. Dies markierte zugleich das Ende einer Epoche, in der der Verein einen großen Entwicklungssprung gemacht hat. In Erinnerung bleibt das erfolgreiche Wirken von Frau Bendzuck insbesondere beim Ausbau von Vereinsstrukturen, in der Interessenvertretung sowie der Digitalisierung von Selbsthilfe. Der neue Vorstand hat auf seiner konstituierenden Sitzung am 4.11.24 beschlossen, der Mitgliederversammlung angesichts der in besonderem Maße vorliegenden Verdienste eine Ehrenmitgliedschaft für Frau Bendzuck vorzuschlagen.

2014 übernahm Gerlinde Bendzuck den Vorsitz. Ihre Vorgänger, darunter das Ehrenmitglied Dr. Manfred Schmidt (verstorben 2021), hatten den Verein mit großem Engagement und weitgehend ehrenamtlichen Strukturen geführt. Zu dieser Zeit hatte sich die LV Selbsthilfe als verlässlicher Ansprechpartner für die Belange der organisierten Selbsthilfe und als Sprachrohr der Behindertenbewegung etabliert. Unübersehbar hatte die LV Selbsthilfe das Potenzial, ein noch wichtigerer Akteur in behinderten-, gesundheits- und sozialpolitischen Belangen zu werden. Würde es gelingen, den Verein aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken?

Glücklicherweise konnte der Verein sich stets auf das ehrenamtliche Engagement seiner Vorstandsmitglieder und seiner Mitgliedsorganisationen verlassen: sie führten ihn mit Herz und Verstand und brachten ihn in eine vielversprechende Position. Vorsitzende und Vorstand erkannten aber, dass man, um das Potenzial zu heben, die Aktivitäten ausweiten musste. Neue Wege wurden gegangen: Selbsthilfe-Festivals (gemeinsam mit SEKIS), Selbsthilfe-Bereiche auf der jährlichen Reha-Messe oder die Organisation des Fachtages Pflege 4.0. Selbsthilfe, die ja auch als vierte Säule des Gesundheitswesens bezeichnet wird, wurde im Land Berlin mehr und mehr sichtbar.

Im Rahmen der Interessenvertretung nutzten der Verein und hier besonders seine Vorsitzende Gerlinde Bendzuck nun intensiver die Möglichkeiten des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) und brachten maßgebliche Impulse für mehr Teilhabe in allen Lebensbereichen in die Novellierung des Gesetzes ein. Das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) konnte auch dank der engagierten Mitwirkung der LV Selbsthilfe etabliert werden. Frau Bendzuck engagierte sich im Vorsitz-Team des Landesbeirats für Menschen mit Behinderungen und seinen zahlreichen Arbeitsgruppen. Aktiv waren Vereinsvertretende auch als Selbsthilfe-Vertretung im Arbeitskreis Selbsthilfeförderung der Gesetzlichen Krankenkassen sowie in den Gremien der Patientenvertretung und auch im Feld der patientenorientierten Digitalisierung – in 2024 besetzte der Verein bereits über 30 Gremien, bei steigender Tendenz.

Die neuen Aktivitäten brachten ebenfalls neue personelle Herausforderungen mit sich. Es wurden wichtige professionalisierende Schritte unternommen, wie die Etablierung einer Vereins-Geschäftsführung. Die LV Selbsthilfe schaffte es, weitere Projekte zu akquirieren, wodurch nun für zusätzliche Aufgaben zusätzliches kompetentes Personal gewonnen und weiterqualifiziert werden konnte. In 2014 hatte man lediglich zwei Teilzeit-Mitarbeitende, in 2024 sind es bereits zehn Mitarbeitende (neun davon in Teilzeit).

2019 wurde ein weiterer Meilenstein der Vereinsgeschichte erreicht: Die LV Selbsthilfe wurde 40 Jahre alt. Diesen Anlass beging der Verein mit einem großen Selbsthilfe-Fachtag im Roten Rathaus unter großer Anteilnahme der Mitglieder, der Zivilgesellschaft und von Politik und Verwaltung. So wurde in der Öffentlichkeit sichtbar, wie solide sich die Berliner Selbsthilfe und auch die LV Selbsthilfe entwickelt hat und welche Verdienste sie sich um die Vertretung der Belange der Selbsthilfe erworben hat. Denn neben der engagierten Mitarbeit in der Interessenvertretung fand der Verein auch immer mehr das Gehör von Politik und Verwaltung. In wichtige Gremien wie die Landesgesundheitskonferenz, das gemeinsame Landesgremium nach § 90a und den Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes Berlin-Brandenburg wurde die LV Selbsthilfe aufgrund ihrer Expertise berufen.

Gerade auch die Vorsitzende pflegte hier den Kontakt zu den maßgeblichen Verantwortlichen und etablierte den Verein als Expertenstelle für Inklusion, Barrierefreiheit und Antidiskriminierung. Für dieses ehrenamtliche Engagement wurde Frau Bendzuck 2021 der Berliner Landesorden verliehen. Auch weiterhin ist die LV Selbsthilfe eine kompetente und frequentierte Ansprechpartnerin für das Land Berlin: So hat Frau Bendzuck etwa an der gesetzlichen Festschreibung und Umsetzung des Partizipationsfonds des Landes Berlin nach LGBG für mehr Teilhabe maßgeblich mitgewirkt. Frau Arens hat seit 2020 maßgeblich dazu beigetragen, die Koordinierung der Patientenvertretung als Projekt weiterzuentwickeln, mit hauptamtlichen Mitarbeitenden zu besetzen, sich intensiv in gesundheitspolitische Fragestellungen einzubringen und neue Patientenvertretende zu gewinnen. Thomas Seerig konnte als Vorstandsmitglied gewonnen werden und vertritt seit 2022 die Interessen der LV Selbsthilfe im Berliner Teilhabebeirat. Detlef Fronhöfer konnte 2021 als ehrenamtlicher Berater der LV Selbsthilfe gewonnen werden und unterstützt seitdem als Berater in Selbsthilfefragen. Und aktuell hat sich der Verein in Interviews und Fachdialogen für die Einrichtung einer Landesfachstelle Barrierefreiheit (nach LGBG) und der Landesfachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen beteiligt. Auch wirkt er mit am Sounding Board für das Projekt Vereinfachung, Optimierung, Digitalisierung von Zuwendungen im Land Berlin (SenASGIVA) mit, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das neue Jahrzehnt begann mit der Corona-Pandemie – ein Einschnitt für alle. Der Verein reagierte schnell und vertrat vehement die Interessen der Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Dieser Einsatz war wichtig, denn es stellte sich heraus, dass die Bedarfe dieser Zielgruppe bei den meisten Umplanungen und Krisenbewältigungsstrategien nur unzureichend berücksichtigt wurden. Aufgrund der Ansteckungsgefahr musste Vieles nun digital stattfinden. Auch hier schaffte die LV Selbsthilfe sehr schnell Lizenzen für Online-Videokonferenzen für ihre Mitglieder an und organisierte entsprechende Fortbildungen.

Aus einer Krise war nun auch etwas Gutes entstanden und die Selbsthilfe hatte sich aufgemacht ins digitale Zeitalter: Die LV Selbsthilfe begleitete und unterstützte die Selbsthilfelandschaft dabei weiterhin mit ganzer Kraft, unter anderem mit den von den Gesetzlichen Krankenkassen geförderten Projekten Kommunikationsfonds (Hilfen für Menschen mit Hörbehinderungen), Selbsthilfe inklusiv, Mitglieder gewinnen, Qualitätsgesicherte Homepage und Selbsthilfe-Fortbildungen sowie Neustart Selbsthilfe. Auch für größere Vorhaben wurden Förderungen gefunden, so glänzt die Vereinswebseite www.lv-selbsthilfe-berlin.de seit dem Relaunch in 2022 mit zeitgemäßer und barrierearmer Gestaltung gemäß den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen.

In den Projekten der LV Selbsthilfe nahm nun das Thema Partizipation einen immer wichtigeren Stellenwert ein, so koordiniert sie etwa das Berliner Behindertenparlament. Frau Bendzuck engagierte sich gemeinsam mit den anderen drei Träger-Verbänden seit dem Beginn der Vorbereitungen in 2018, um dieses neue Format der politischen Teilhabe und Selbstvertretung der Menschen mit Behinderungen erfolgreich im Berliner Abgeordnetenhaus zu etablieren und gab ihm als Mitglied des Präsidiums eine Stimme. Auch verantwortet die LV Selbsthilfe die Antidiskriminierungsberatung Alter, Behinderung, Chronische Erkrankung, die Koordination der Patientenvertretung und das Projekt Selbsthilfe-Koordination. Alle drei Projekte konnten in den letzten 10 Jahren ihren Wirkungsradius durch personellen Aufwuchs, konzeptuelle Weiterentwicklung und mehr Öffentlichkeitsarbeit wesentlich erweitern. Die LV Selbsthilfe investiert viel in die Weiterbildung und den Wissenstransfer der Mitgliedsverbänden und begleitet deren Arbeit für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Mit neuen Allianzen wie der Mitgliedschaft im Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement mit der Gründung des Arbeitsgruppe Inklusion und Teilhabe wird die strukturelle Weiterentwicklung inklusiver Ehrenamtsstrukturen im Land Berlin unterstützt.

Der durchschlagende Vereinserfolg wurde in der Selbsthilfe Berlins deutlich wahrgenommen: So interessierten sich auch viele Verbände für die Mitgliedschaft bei der LV Selbsthilfe: Die Mitgliederentwicklung verläuft in den letzten Jahren trotz der Herausforderungen des demographischen Wandels steigend von 64 (2020) auf 67 (2024).

Das Vermächtnis von Frau Bendzuck und der Vereinsführung liegt darin, den Verein strukturell auf eine solide Grundlage gestellt und die Herausforderungen der letzten Jahre mit strategischem Weitblick und hohem Engagement bewältigt zu haben. Die LV Selbsthilfe wurde als Dachverband der gesundheitlichen Selbsthilfe in Berlin zu einer starken Stimme für Inklusion, Teilhabe und Antidiskriminierung erfolgreich weiterentwickelt.

Wir danken Gerlinde Bendzuck für ihr herausragendes Engagement für die Berlinerinnen und Berliner mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.

Von Malte Andersch, Geschäftsführer LV Selbsthilfe

Im Rahmen der Verabschiedung wurden Blumensträuße vom Verein und der ACHSE e.V. sowie ein Präsentkorb von den Vereinsmitarbeitenden (Foto: Sonja Arens) übergeben.
Im Rahmen der Verabschiedung wurden Blumensträuße vom Verein und der ACHSE e.V. sowie ein Präsentkorb von den Vereinsmitarbeitenden (Foto: Sonja Arens) übergeben.

zuletzt geändert am 04.12.2024